Berlin- Friedenau , Sonntag, den 26. Januar 2014
Rede beim Neujahrsempfang der SPD Friedenau
Serge Embacher
Liebe Genossinnen und Genossen,
mit ihrem Votum zum Koalitionsvertrag haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für einen ganz besonderen Abschluss des politischen Jahres 2013 gesorgt. Erstmals in der deutschen Parteiengeschichte konnten die Mitglieder einer Partei direkt über einen zuvor ausgehandelten Koalitionsvertrag entscheiden.
Dreiviertel von uns haben sich für, ein Viertel hat sich gegen den Koalitionsvertrag entschieden. Damit hat Sigmar Gabriel eine sehr gute Ausgangsposition, um einerseits konstruktiv mit der Union zu regieren; andererseits hat er aber auch eine Art „mentale Reserve“ im Hinterkopf, um sich die Option zu einer linken Mehrheit in Deutschland – 2017 oder früher – offen zu halten.
Das Mitgliedervotum war damit in mehrfacher Hinsicht ein starkes Signal:
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ein Signal für ein großes gegenseitiges Vertrauen innerhalb unserer Partei,
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ein Signal für den Anspruch der SPD, Regierungspolitik für ganz Deutschland aktiv und verantwortlich mitzugestalten,
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vor allem aber ein Signal dafür, dass der Gedanke der Beteiligung und Mitbestimmung endgültig in der deutschen Sozialdemokratie angekommen ist.
Und genau diesen Gedanken, dass an demokratischen Entscheidungen möglichst viele Menschen beteiligt werden sollen, wollen wir hier an der Basis, im Ortverein, in unserer Friedenauer SPD, weiterhin stark machen. Unsere Aufgabe ist es, die „offizielle“ Politik kritisch zu begleiten und mit neuen Impulsen zu beleben. „Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit“, heißt es im Grundgesetz. Diese Aufgabe ist umso wichtiger, je näher man sich an der Basis der Politik bewegt, dort, wo sie mitten unterm Volk ihre Wirkungen zeigt.
Vor diesem Hintergrund werden wir genau darauf scheuen, was die neue Bundesregierung jetzt macht. Sie muss jetzt zügig ihre Arbeit aufnehmen und die im Koalitionsvertrag vereinbarten Weichenstellungen praktisch auf den Weg bringen.
Unsere sozialen Kernthemen liegen uns dabei natürlich besonders am Herzen: Mehr Ordnung und Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt, ein gerechteres Rentensystem und Verbesserungen bei Gesundheit und Pflege.
Mindestlohn und Bekämpfung der Auswüchse bei Leiharbeit und Werkverträgen – das sind für uns zentrale Fragen. Ab 2015 soll ein gesetzlicher und bundesweiter Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gelten. Der Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen soll wirksam eingedämmt werden. Und auch bei der Rente soll sich was tun: Abschlagsfrei nach 45 Beitragsjahren ab dem 63. Lebensjahr und eine solidarische Lebensleistungsrente von 850 Euro.
Wenn diese Vorhaben tatsächlich in Gesetzesform mit der Union durchgesetzt werden könnten, wäre schon einiges gewonnen. Doch sollten wir uns damit nicht zufrieden geben. Nach wie vor gibt es keine Lösungen für zentrale Probleme:
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Durch die Ansenkung der Rentenformel wird es trotz der angestrebten Verbesserungen auch künftig massenhaft Fälle von Altersarmut trotz lebenslanger Arbeitsleitung geben;
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Das ungerechte und in der Handhabung würdelose Hartz-IV-System hält für viele Menschen gnadenlose Härten bereit. Darüber wollen wir uns bei unserer nächsten Mitgliederversammlung übermorgen unterhalten.
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Das ungerechte Steuersystem, das wenige Begüterte stark begünstigt und viele mittlere und niedrige Einkommen über Gebühr belastet, wurde im Koalitionsvertrag durch den Widerstand der Union nicht angetastet. Hier brauchen wir dringend eine andere Politik schon allein deshalb, damit die immer maroder werdende Infrastruktur in unseren Städten und Gemeinden nicht immer weiter verfällt.
Am 25. Mai finden die nächsten Europawahlen statt. Dieses Ereignis wird uns in den nächsten Monaten stark beschäftigen. Die Idee eines geeinten und friedlichen Europas bewegt uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten schon seit dem Heidelberger Parteitag 1925. Für solch ein Europa müssen wir in den kommenden Monaten bis zur Europawahl werben – und im praktischen Handeln dafür sorgen, dass es tatsächlich auch entstehen kann.
Auch Europa muss für seine Bürgerinnen und Bürger endlich als lebendige Demokratie erfahrbar werden. Als etwas, wo jede und jeder Einzelne mitreden und mitentscheiden kann. Vor allem wollen wir uns natürlich dafür einsetzen, dass der Genosse Martin Schulz zum nächsten Präsidenten der Europäischen Kommission gewählt werden kann. Das wäre in echter Durchbruch und ein Signal für ein absehbares Ende der neoliberalen Brüsseler Politik, für ein soziales und gerechtes Europa, nicht ein Europa der Dominanz von Banken und Kapitalbesitzern.
Wir haben also auch 2014 – wie immer, muss man augenzwinkernd hinzufügen – viel vor. Wir müssen uns weiter dafür einsetzen, dass diejenigen, die viel besitzen, sich stärker an den gemeinsamen Aufgaben beteiligen als bisher. Wir müssen uns weiter dafür einsetzen, dass Deutschland endlich so viel für die Bildung und Erziehung aufwendet wie andere Industrieländer. Wir müssen uns weiter dafür einsetzen, dass die Kommunen und Landkreise genug Geld haben, um ihren Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft leisten zu können. Und wir müssen uns weiter für mehr Bürgerbeteiligung und bürgerschaftliches Engagement einsetzen, für eine offene und vielfältige und lebenswerte Gesellschaft.
Vor allem aber wollen wir weiter dafür sorgen, dass Eure SPD ein lebendiger Laden ist, wo man gerne mal vorbeischaut, um mit Gleichgesinnten über große und kleine Politik zu diskutieren – oder auch einfach nur anzustoßen mit einem Bier oder einem anderen Kaltgetränk! Daher lasst uns anstoßen auf das neue Jahr 2014. Ich wünsche uns allen dazu Kraft, Gesundheit, und Glück und sage: Es lebe die Friedenauer SPD, prosit Neujahr, auf Euer Wohl!